Der ehemalige Bremer Bürgermeister Dr. Henning Scherf über das älter werden und die Chancen die er für die Gesellschaft darin sieht.
„HERR SCHERF, DER VERSTORBENE MARCEL REICH-RANICKI HAT MAL GESAGT, ALT ZU WERDEN SEI MIES. SIE SEHEN DAS ANDERS, ODER?“
Ja. Ich halte das Alter für eine Chance. Wir dürfen in einer Zeit leben, in der sich das Leben ständig verlängert. Die Ärzte und die Statistiken sagen zudem, dass das Alter nicht zwangsläufig mit Gebrechen verbunden ist. Gerade die Menschen, die jetzt älter werden, sind körperlich fit. Das ist was Tolles. Ich bin einer von denen, die sich darüber freuen, dass sie älter werden dürfen.
„IN IHREM BUCH »GRAU IST BUNT« HABEN SIE BESCHRIEBEN, DASS GERADE ÄLTERE MENSCHEN EINE WICHTIGE ROLLE BEI EHRENAMTLICHEN TÄTIGKEITEN SPIELEN KÖNNEN.“
Wir sind meist auf die Berufstätigkeit fixiert. Das ist aber nur ein Teil des Lebens. Es gibt so viele Aufgaben, die seit Jahrhunderten erledigt werden, ohne dass es Geld dafür gibt. Das fängt bei den Müttern an. Die bekommen nichts dafür, dass sie den Haushalt führen, die Kinder großziehen, alles zusammenhalten.
„WAS AUCH FÜR HAUSMÄNNER GILT.“
Natürlich. Und es gibt darüber hinaus jede Menge Aufgaben in der Gesellschaft, die ohne Entlohnung von Leuten übernommen werden, die sagen: Ich freue mich, wenn ich noch was zu tun habe. Wenn ich gebraucht werde. Seitdem ich selbst nicht mehr im Rathaus bin, seit acht Jahren, gehe ich jede Woche ein-mal in eine Grundschule und lese da was vor. Literatur. Das ist eine Schule, an der mehr als 70 Prozent der Kinder Deutsch nicht als Muttersprache gelernt haben. Die nehmen das alle an, reden mit mir darüber, freuen sich. Und ich selbst lerne dabei wunderbare Dinge. Oder schauen Sie sich die Sportvereine an. Da gibt es immer ältere Leute, die die Kinder abholen, die aufpassen, dass sie sich nicht prügeln, die sie wieder nach Hause bringen. Und nehmen Sie die Kirchen. Wer macht die Besuchsdienste – ehrenamtliche ältere Menschen. Es tut gut, wenn man sich kümmert. Und das kann man nutzen in einer älter werdenden Gesellschaft. Es gibt Statistiken, die besagen, dass jeder Zweite der 60- bis 75-Jährigen bereit ist, sich ehrenamtlich zu engagieren. Davon können alle profitieren. Die ganze Gesellschaft.
„HERR SCHERF, SIE LEBEN IN DER BERÜHMTESTEN WOHNGEMEINSCHAFT DEUTSCHLANDS MIT IHRER FRAU UND FREUNDEN. SIE HABEN GEGENSEITIGE PFLEGE VEREINBART UND EINEN PFLEGETRÄGER FÜR DEN FALL BESTELLT, DASS ZUSÄTZLICH HILFE VON AUSSEN NÖTIG SEIN SOLLTE. SEHEN SIE DAS AUCH ALS MODELL FÜR ANDERE MENSCHEN?“
Ja. Ich bin fest davon überzeugt, dass das eine von vielen möglichen Lebensformen im Alter ist. Das große Problem am Altwerden ist, dass immer mehr Leute allein sind. Ich hab‘ gelesen, dass inzwischen mehr als 50 Prozent der Wohnungen oder Häuser nur noch von einer Person bewohnt werden. Und das sind überwiegend die Älteren. Denen geht es, mit wenigen Ausnahmen, nicht gut damit. Menschen kommen auf die Welt, um sich zusammenzutun, um sich beizustehen. Wenn Sie das als Ausgangslage nehmen, braucht es viele, viele Ideen – nicht nur meine -, um zu bewirken, dass Menschen, die im Alter von Einsamkeit bedroht sind, nicht allein sein müssen. Natürlich freiwillig und mit hohem Respekt vor unterschiedlichen Wünschen und Lebensstilen.
„NUN KANN SICH NICHT JEDER IN EINE HAUSGEMEINSCHAFT EINKAUFEN. UND ES HAT SICH VIEL GETAN IN PUNCTO SENIORENHEIM IN DEN LETZTEN JAHREN. WIE SEHEN FÜR SIE GUTE WOHNFORMEN IM SENIORENHEIM AUS?“
Man muss in die Ambulanz investieren. Man müsste dafür sorgen, dass die Nachbarschaften bestehen bleiben, dass es gegenseitige Hilfe und Gemeinsamkeiten gibt. Kleine Einheiten mit Nachbarschaft. In die Städte gehen. Und ich beobachte da bei den Betreibern auch einen Wandel. In Bayern haben Gerichte mal verboten, neben Altenheimen Kinderspielplätze zu bauen. Das ist doch furchtbar! Ich kenne nur alte Leute, die sich freuen, wenn ihnen ein Kind über den Weg läuft. Das ist auch besser als Medizin. Das ist Medizin. Da lebt man auf.
Fakten zu Dr. Henning Scherf
Henning Scherf wurde am 31. Oktober 1938 in Bremen geboren. Er studierte Jura und trat in die SPD ein. 1971 wurde Scherf Mitglied der Bremischen Bürgerschaft. 1978 wurde er zum Senator berufen, und von 1995 bis 2005 war Scherf Bürgermeister und Senatspräsident der Freien Hansestadt Bremen. Scherf lebt mit seiner Frau Luise und weiteren Bewohnern in einer Hausgemeinschaft in der Bremer Innenstadt. Er ist Schirmherr mehrerer caritativer Verbände und plädiert in seinen zahlreichen Büchern über das Alter („Wer nach vorne schaut, bleibt länger jung“, „Mehr Leben – Warum Jung und Alt zusammengehören“, „Grau ist bunt“, „Altersreise“, allesamt erschienen bei Herder) für ein aktives Seniorenleben. Henning Scherf selbst malt, fährt Rennrad und singt im Chor.
Das Interview führte Alexander Nortrup für die WirtschaftsHaus Unternehmensgruppe aus Hannover-Garbsen (www.wirtschaftshaus.de)
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